Anzeige
Ein Jahr später

Der Ukraine-Krieg und Digital Signage

Kriegswirtschaft und Software-Entwicklung: Ein Jahr nach der russischen Invasion blickt invidis auf die Auswirkungen auf den ukrainischen Digital Signage-Markt.
Kriegszerstörung in der Ukraine (Foto: Alex Uscinaw / Pexels)
Kriegszerstörung in der Ukraine (Foto: Alex Uscinaw / Pexels)

Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Während invidis in Saudi-Arabien die nächsten Megaprojekte besichtigt und die Golfregion 2022 mehr als 300 Milliarden US-Dollar Windfall Profits erzielte – unverhoffte Gewinne durch den Kriegsbedingt hohen Ölpreis – sind in Osteuropa und Russland ein Jahr nach Kriegsbeginn ausschließlich Kriegsverlierer zu finden.

Die Ukraine war auch vor Kriegsbeginn kein relevanter Digital Signage-Absatzmärkte. Die großen Hardwarehersteller Samsung, LG, PPDS & Co. haben die eingebrochene Nachfrage in der Region im ersten Kriegsjahr kaum gespürt. Insbesondere da in den vergangenen 12 Monaten die Branche teilweise noch mit Lieferengpässen gekämpft hat.

Auch werden in den Nicht-EU-Staaten der Region Central Eastern Europe (CEE) häufig weniger professionelle Signage-TVs – sehr günstige Digital Signage-Einstiegsprodukte – eingesetzt. Ein Markt, der von zweit- und drittklassigen Anbietern aus China dominiert wird.

Auch konnten wir keinen relevanten Digital Signage-Software-Anbieter identifizieren, der aufgrund des Kriegsausbruchs spürbare Umsatzeinbußen erfahren hat. Der Markt war geprägt von kleinen lokalen Anbietern, zumeist ohne Software-Abomodell sowie kostenlosen Basis-Playerlösungen von Screenanbietern.

Softwareentwicklung überaus resilient

Aus einem anderen Grund war und ist die Ukraine – wie Belarus – aber wichtig für Digital Signage und DooH: Tausende von bestens ausgebildeten Software-Entwicklern arbeiteten als Festangestellte und Freelancer für westeuropäische Softwareanbieter an den Digital Signage-Plattformen der Zukunft. Das Gehaltsniveau lag weit unter Westeuropa, und anders als Entwickler in Indien sind Teams in Osteuropa kulturell und zeitlich einfacher zu führen.

Tech-Hotspot Ukraine

Ein beträchtlicher Teil der weltweit genutzten Software und Technologie wurde von Entwicklern und Ingenieuren in der Ukraine entwickelt. Nach Angaben von CNBC wurden Whatsapp, Gitlab, Solana und Grammarly von Ukrainern gegründet oder mitbegründet. Weltkonzerne wie Google, Samsung und Amazon hatten bis Kriegsbeginn große Forschungs- und Entwicklungsbüros in der Ukraine. Über 200 Adtech- und Martech-Unternehmen waren Anfang 2022 in der Ukraine beheimatet.

invidis hat sich zum Jahrestag des Kriegsbeginns in der europäischen Digital Signage-Branche umgehört, um herauszufinden, wie sich die Branche an die neuen Rahmenbedingungen angepasst hat. Die meisten Antworten überraschen – denn es hat sich erstaunlich wenig geändert. Ein Großteil der Digital Signage-Anbieter arbeitet noch mit denselben Entwicklern zusammen, die sich trotz Krieg immer noch in der Ukraine aufhalten oder aus der Krisenregion geflohen und nun in Nachbarländern, der Türkei oder Israel sitzen. Einige wenige Anbieter – wie Ameria – haben auf eigene Kosten Entwickler mit Familien nach Deutschland geholt.

Auf der Kostenseite verzeichnen die meisten befragten Digital Signage-Anbieter aber spürbare Steigerungen. Nicht nur wegen der Rekordinflation – auch die Lebenshaltungskosten an den neuen Standorten sind erheblich höher. Doch die Zusammenarbeit funktioniert weiterhin hervorragend und das persönliche Schicksal der outgesourcten Entwicklerteams hat die Bindung zu den Auftraggebern weiter erhöht.

Wirtschaftsleistung der Ukraine fällt 2022 um ein Drittel

Quantitativ lässt sich der Kriegseinfluss auf den Digital Signage-Markt mangels zuverlässiger Daten nicht beziffern. Laut Angaben des ukrainischen Wirtschaftsministeriums ist die Wirtschaftsleistung (GDP) des Landes 2022 um ein Drittel gesunken. Insbesondere hart hat es auch den für Digital Signage so wichtigen Einzelhandel getroffen. Die meisten großen europäischen Retailer haben seit Kriegsbeginn ihre Geschäftstätigkeit in der Ukraine reduziert oder ganz ausgesetzt, von Store-Renovierungen und Neueröffnungen ganz abgesehen.

Dagegen sind Investitionen in strategisch wichtige Digital Signage-Installationen der Verwaltung und des Militärs zu vernachlässigen. Größte Herausforderung für Digital Signage ist die stark eingeschränkte Energieversorgung durch die fast täglichen russischen Angriffe auf das Stromnetz der Ukraine. Oft steht nur wenige Stunden am Tag Elektrizität zur Verfügung, die dann für überlebenswichtige Geräte genutzt wird. Für Digital Signage und DooH gilt dies in der Regel nicht.

DooH: Einbruch des Werbemarktes

Verlässliche Zahlen über die Entwicklung des ukrainischen Werbemarktes, und insbesondere Out of Home seit Kriegsbeginn, sind nicht zu bekommen. Einige Schätzungen gehen von einem Rückgang der Werbeausgaben von rund 50 Prozent aus.

In einer Kriegswirtschaft – in der sich die Ukraine seit 24. Februar 2022 befindet – spielen Digital Signage und DooH nur eine untergeordnete Rolle. Es gibt weitaus Wichtigeres.

Zweiter Teil des Artikels

Am Montag berichtet invidis im zweiten Teil über die tektonischen Veränderungen des Digital Signage-Marktes in Russland