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Euroshop 2020

Ohne Retail Technology geht es kaum

Düsseldorf | Technik verändert die Art und Weise, wie Verbraucher mit Marken interagieren und umgehen. Auf der EuroShop 2020 zeigen 550 Aussteller Lösungen rund um Retail-Tech und Digital Signage. Fast spannender sind die Messestände der Ladenbaudesigner und Shopfitter, die hunderte von Lösungsansätze zeigen wie Digital (Signage) integraler Bestandteil von Storekonzepten sein kann.
Digital Signage bei Lush in Tokyo (Foto: Lush)
Digital Signage bei Lush in Tokyo (Foto: Lush)

Der spanische Mode-Einzelhändler Zara hat Selbstbedienungskassen im Geschäft eingeführt sowie interaktive Spiegel, die mit RFID ausgestattet sind; bei Nike werden lokale Daten im House of Innovation in New York genutzt, um die Regale zu bestücken und sie den Bedürfnissen der Kundschaft  entsprechend wieder aufzufüllen; und bei den Future X Smart Stores der Hautpflegemarke SK-II in Tokio, Shanghai und Singapur können die Besucher die Hautberatung von Morgen mit dem „Magic Scan“ erleben (eine durch Artificial Intelligence gesteuerte Hautanalyse, die das Hautalter identifiziert und denn personalisierte Produktempfehlungen macht) während sie drei Minuten lang vor einem Spiegel sitzen. Es gibt sogar Cafés, die Roboter-Baristas nutzen, um Getränke zu servieren, wie z.B. das Café X in San Francisco oder das Ratio in Shanghai. Und dann gibt es natürlich noch Amazon Go, wo Kunden ihre Einkäufe einfach nehmen und aus dem Laden spazieren, weil die Zahlung automatisch über die App erfolgt.

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In-Store Technologie: Zeit zum Handeln?

Im Jahr 2018 veröffentlichte Hitachi Consulting eine Studie mit 2.000 britischen Verbrauchern, die ergab, dass mehr als zwei Drittel der Befragten im Alter von 24-35 Jahren eher bei einem Einzelhändler einkaufen würden, der das Einkaufserlebnis mit innovativer Technologie aufwertet. Die Untersuchung zeigte ferner, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Einkaufsgewohnheiten aufgrund von Technologie ändern, mit zunehmendem Alter sinkt.

„Die Forschungsergebnisse sind eindeutig: Retail-Technologie wie Digital Signage und Echtzeit-Inventursysteme wwerden unmittelbaren Einfluss darauf haben, wo der Verbraucher in Zukunft einkauft“, so Pierson Broome, der Einzelhandelsspezialist von Hitachi Consulting im Bericht. „Wir sehen immer mehr Einzelhändler, die mit innovativer In-Store-Technologie experimentieren. Diejenigen, denen es am besten gelingt, das Kundenerlebnis aufzuwerten, werden am ehesten die wachsende Nachfrage der jüngeren Generationen befriedigen“, behauptet Broome.

Eine separate, in den USA veröffentlichte Studie stellte fest, dass zwar 75% der Verbraucher mindestens eine Retail-Technologie kennen, aber nur 33% selbst damit in Berührung gekommen sind. Laut der Consumer Retail Technology Survey 2019, der Umfrage, die von der weltweit tätigen Unternehmensberatung A.T. Kearney erstellt wurde, hinken die meisten Einzelhändler bei der Technik im Store hinter dem Bewusstsein der Verbraucher dafür her, wenn es darum geht, ein Einkaufserlebnis mit einer oder mehreren Technologien zu bieten. Die Umfrage, die in diesem Sommer veröffentlicht wurde, konzentrierte sich auf fünf Technologien, die im stationären Handel Einzug halten, nämlich Augmented Reality, mobile Kasse, kassenlose Bezahlung, interaktive Bildschirme und 3D-Druck.

„Notgedrungen musste sich der stationäre Handel extrem darauf konzentrieren, mit seinen reinen E-Commerce Pendants Schritt zu halten, und so ist die InStore-Technologie Opfer dieses Tunnelblicks geworden“, glaubt Suketu Gandhi, Partner in der Abteilung Digitale Transformation von A.T. Kearney. „Jetzt ist es für die physischen Geschäfte an der Zeit, innezuhalten und ihre Optionen für Technologie im Store abzuwägen sowie Piloten zu entwickeln, die ihr spezielles Geschäftsmodell unterstützen.“

Digitalisierung & Handel: Amazon Go im Mini-Format aufgetaucht

Kassenloser Einkauf

Anfang 2018 beherrschte der Online-Riese Amazon die Schlagzeilen im Einzelhandel, als er seinen ersten kassenlosen Convenience Store „Amazon Go“ in den USA eröffnete. Das kassenlose Einkaufserlebnis nutzt Technologien wie Computer Vision, Sensor Fusion und Deep Learning, um zu erkennen, wann Produkte aus den Regalen genommen oder in die Regale zurückgelegt werden und um sie in einem virtuellen Einkaufswagen zu verfolgen. Mit der Amazon Go App können Kunden Produkte suchen, einkaufen und ohne Schlange an der Kasse den Laden verlassen.

Seitdem testen immer mehr Einzelhändler auf der ganzen Welt kassenlose Geschäfte, um das Einkaufen noch schneller und bequemer zu machen. Die britische Supermarktkette Tesco soll in Zusammenarbeit mit dem israelischen Startup Trigo Vision eine Technologie entwickeln, die dem Kunden automatisch die Einkäufe in Rechnung stellt, während der Sportartikelhändler Decathlon in allen seinen Filialen in den Niederlanden die mobile Self-Checkout-Lösung von MishiPay einsetzt. Mit der Decathlon Scan & Go-Technologie können Kunden Artikel mit ihrem Smartphone scannen und bezahlen, wodurch das RFID-Sicherheitsetikett automatisch deaktiviert wird, so dass sie das Geschäft verlassen können, ohne anstehen oder an der Kasse warten zu müssen.

Im Nike’s House of Innovation 000 in New York können Kunden auch über die „Instant Checkout“-Funktion in der Nike App scannen und bezahlen. Die Nike Instant Checkout Stationen sind über das gesamte sechsgeschossige Geschäft platziert, so dass Kunden ihre Einkäufe einfach einpacken und rausgehen können. „Nike NYC ist als dynamische Ladenumgebung konzipiert, die ebenso individuell, wie reaktionsschnell und digital ist“, meinte Heidi O’Neill, Nike Direct President bei der Eröffnung im vergangenen Jahr.

Nike Experience Store in New York City (Foto: invidis)
Nike Experience Store in New York City (Foto: invidis)

Mobile Apps

Neben der Sofort-Bezahlfunktion können Benutzer mit der Nike-App im Einzelhandel auch ganze Looks von Schaufensterpuppen über Nike Scan einkaufen und Produkte suchen und reservieren, die sofort in ihrem nächstgelegenen Nike-Store verfügbar sind. Das ist alles Teil der Strategie von Nike für ein optimiertes Einkaufserlebnis, indem die Welten von Technologie und physischem Einzelhandel miteinander verbunden werden. „Egal, welche Interaktion im Geschäft Sie bevorzugen, die Funktionen der Nike App bieten Ihnen über Ihr Smart Device noch mehr Erlebnis-Optionen“, so die Marke.

In Shinjuku, Tokio, hat der britische Kosmetikhändler Lush kürzlich eine Erlebnisverkaufsfläche eröffnet, die die Innovationskraft der Marke in puncto Technik mit exklusiven „Produkt Drops“ und neuen Shoppingformen präsentiert. Kunden können in diesem Laden die Lush Labs-App in Englisch, Koreanisch, Japanisch und vereinfachtem Chinesisch nutzen, um Produktinformationen im Store und über das Schaufenster zu sichten (für Lush bedeutete die Eröffnung eines Ladenlokals an einem globalen Treffpunkt wie Shinjuku, dass die Überwindung von Sprachbarrieren zu einem wesentlichen Designbestandteil wurde).

„Anstatt Technologie in eine Shop-Umgebung zu integrieren, experimentieren wir mit der Weiterentwicklung und Anpassung unserer Erfahrung im Einzelhandel an ein globales digitales Zeitalter, indem wir Symbole und Videos zusammen verwenden, damit Kunden auch ohne Sprache durch unsere Produkte navigieren können“, erklärt Gemma-Lea Goodyer, der Design-Chef bei Lush.

Digital Signage bei Lush in Tokyo (Foto: Lush)
Digital Signage bei Lush in Tokyo (Foto: Lush)

Hier setzt die Lush Labs App an die sicherstellt, dass wichtiges Produkt-Know-how bei der Übersetzung nicht verloren geht. Die selbst entwickelte App nutzt künstliche Intelligenz (AI) in einer Kamerafunktion zur Produkterkennung und liefert relevante Informationen über die unverpackten Artikel. Die im Erdgeschoss ausgestellten Produkte können auch über die App gekauft werden, so dass Kunden sich nicht in die Warteschlangen einreihen müssen.

Lush Shinjuku wird als digitaler Spielplatz beschrieben, der mit Hilfe von Technologie die Besucher auf eine Reise durch das „Sinnliche und Surreale“ mitnimmt. Von den interaktiven Wänden, die Bewegung spüren, um eine Stimmung aufzunehmen, über die digitalen Bildschirme, die Botschaften durch visuelle Inhalte vermitteln, bis hin zu App-gesteuerter Beleuchtung und riesigen Dusch-Jellies, die bei Bewegung Geräusche abgeben, bietet die vierstöckige Fläche ein immersives Erlebnis, in das Kunden eintauchen können, in dem sie gestalterisch tätig werden und einkaufen können.

Dank Digital spart Lush Verpackungsmüll: Handmade trifft Digital

„Shinjuku ist die ultimative Version dessen, was wir von einem Geschäft erwarten“, erläutert Adam Goswell, Tech R&D Manager bei Lush. „Wichtig ist, dass es das erste Mal war, dass unsere ‚Tekkies‘ und unsere Marken- und Ladenbauteams zusammengearbeitet haben, um eine Verkaufsfläche im digitalen Zeitalter zu schaffen.“

In London nutzt auch die VF Corporation digitale Technologien, um ihre Marken an einem neuen Markenstandort in Axtell Soho zum Leben zu erwecken. Die Räumlichkeiten umfassen Büros, ein digitales Innovations- und Designstudio, einen Dachgarten sowie Brand-Erlebnisflächen für Timberland, The North Face, Vans und Kipling.

Die Teams von VF Digital & Technology, Strategy und Property arbeiteten mit dem Design Laboratory an einem immersiven Kundenerlebnis, das den VF-Marken hilft, ihre kreativen Visionen lebendig werden zu lassen. Videowände und Kino-Surround-Sound lassen Markenpartner und Einzelhandelskunden in die jeweilige einzigartige Vision jeder Marke eintauchen, während Touchscreen-Displays es den Nutzern ermöglichen, die Beleuchtung und die optischen Produkte in verschiedenen Szenarien zu wechseln. Interaktive Displays stehen den Besuchern auch für Großhandelsbestellungen zur Verfügung.

Derweil setzt das deutsche Luxusmodehaus Hugo Boss in seinen neuen Filialkonzepten – BOSS und HUGO – neueste Technik ein, um das Einkauferlebnis zu optimieren. In Zusammenarbeit mit One iota (Teil der Sanderson Group plc) hat die Marke digitale Elemente wie Touchscreen-Spiegel eingeführt, die über einen Einkauf-Modus verfügen, der die gesamte Produktpalette präsentiert, und einen Werbegraphik-Modus zur Darstellung von Markeninhalten. In den Filialen gibt es auch digitale Bildschirme und Möbel mit integrierten Touchscreens.

Magic Mirror bei Boss (Foto: Boss)
Magic Mirror bei Boss (Foto: Boss)

Magic Mirrors

Hugo Boss ist nicht der einzige Einzelhändler, der über die letzten Jahre mit intelligenten Spiegeln experimentiert hat. Früher eine Requisite in Science-Fiction Filmen, werden Smart Mirrors immer häufiger im stationären Einzelhandel eingesetzt, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten und letztendlich den Umsatz zu steigern. Laut einem Bericht von Allied Market Research erzielte der globale Umsatz von Smart Mirrors 2017 1,75 Milliarden US-Dollar und soll bis 2025 voraussichtlich auf 4,11 Milliarden US-Dollar steigen.

Die amerikanische Luxus-Kaufhauskette Saks Fifth Avenue hat in der neuen Beauty-Abteilung ihres Flagship-Stores in Manhattan Magic Mirrors installiert, mit denen die Kunden Artikel virtuell anprobieren können, während der Modehändler Mango 2018 bekannt gab, dass er weltweit digitale Umkleidekabinen in seinen Top-Stores einführt. Diese spanische Modemarke arbeitet mit Vodafone und Jogotech an einem digitalen Spiegel, mit dem Kunden die Hängeetiketten in der Umkleidekabine scannen können, um dann direkt vom Spiegel aus über eine Digitaluhr mit dem Verkaufspersonal Kontakt aufzunehmen, um verschiedene Größen und Farben bringen zu lassen. Der Spiegel schlägt auch zusätzliche Kleidungsstücke vor, um die ursprüngliche Auswahl zu ergänzen.

Adidas, Puma & Co: Revival des interaktiven Spiegels

Puma hat auch interaktive Spiegel in seinem ganzen High-Tech Flagship Store in New York City installiert, der in diesem Sommer eröffnet wurde. Der iMirror von Nobal erlaubt Kunden, sich wahlweise andere Teile anzusehen und einen Verkäufer zu holen wenn sie Hilfe benötigen, oder sich für Veranstaltungen im Geschäft anzumelden.

„Indem der iMirror jeden Spiegel in einem Geschäft zum Leben erweckt, begleitet er die Kunden auf ihrer Shopping-Reise“, erklärt ein Sprecher von Nobal Technologies und ergänzt: „Er kann sie begrüßen, wenn sie den Laden betreten, und verschafft ihnen ein individuelles Einkaufserlebnis in der Umkleidekabine, indem er die Kleidung identifiziert, die die Kunden bei sich tragen (mittels RFID). Der Kunde kann dann mit diesen Produkten auf dem Spiegel genauso interagieren wie online: Er kann auf vorrätige Artikel in Echtzeit zugreifen, AI-gesteuerte Produktempfehlungen ansehen und online einkaufen (und „ausverkaufte“ Artikel direkt zu sich nach Hause bestellen)“.

Puma Flagship Store in NYC - Skill Cube (Foto: Puma)
Puma Flagship Store in NYC – Skill Cube (Foto: Puma)

Eine neue Erlebnis-Dimension

Das neue 18.000 Quadratfuß große NYC-Flagship von Puma wurde entwickelt, um Technik mit Kunst und Musik nahtlos zu einem „einzigartigen Einkaufserlebnis“ zu verbinden – und Erlebnis ist hier wörtlich gemeint. Nehmen wir zum Beispiel die professionellen F1-Rennsimulatoren, mit denen Kunden virtuell die Straßen von New York entlang rasen können. Oder der multisensorische „Skill Cube“, in dem die Kunden ein individuelles Einzeltraining mit ihrem Sporthelden erleben können.

„Bei den Marken, die für Inhalte immer offener werden, ist der Shop zu einer Plattform für die Generierung von Inhalten und den sozialen Austausch geworden – der Skill Cube ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Repertoires,“ sagt Mikes Roberts, Chief Creative Officer bei Green Room Design, das mit Puma an diesem digitalen Erlebnis gearbeitet hat.

Roberts glaubt, dass es umso wichtiger geworden ist, einzigartige, emotional ansprechende und teilbare Erfahrungen im stationären Handel zu machen, je einfacher es für die Kunden ist, ihre rationalen Bedürfnisse im Online-Handel zu erfüllen. „Ja, der Skill Cube ist ein fantastisches Werkzeug, um Produkte testen zu können und stellt eine engere Produktbindung über die Produkterfahrung her, aber seine größte Stärke liegt darin, dass eine Marke in einem neuen Licht zeigt, den Austausch über sie fördert, für sie Lobbyarbeit macht“, sagt er.

Samsung KX Showroom in London (Foto: Samsung)
Samsung KX Showroom in London (Foto: Samsung)

Im von Heatherwick Studio entworfenen Coal Drops Yard in London hat Samsung Electronics im letzten Sommer einen neuartigen Erlebnisraum eröffnet, der die lokale Kultur und Innovationen von Samsung förmlich zelebriert. Die Marke möchte betonen, dass Samsung KX kein Shop ist, sondern ein Erlebnisraum und eine Drehscheibe für Kultur, Innovation und Lernen. Es gibt in der Tat keine Kassen, um Produkte zu kaufen, obwohl Mitarbeiter vor Ort sind, um Bestellungen über die Website für die Lieferung nach Hause aufzugeben.

„Samsung KX ist ein Erlebnisraum, in dem es um Entdeckung und Erforschung geht. Wir ermuntern all unsere Kunden, das Sortiment und die interaktiven Angebote zu nutzen, die alle völlig kostenlos sind“, erklärt Tanya Weller, Samsung KX Showcase Director.

Zu den kostenlosen interaktiven Erlebnissen gehören ein digitales Cockpit (ein nahtlos vernetztes Fahrerlebnis, das die Automobiltechnik von morgen lebendig werden lässt), ein digitaler Bildschirm „Galaxy Graffiti“ und der AR-Message Tree.

„Samsung KX wird sich für Samsung als unglaublich interessanter Prüfstand aus dem EH-Blickwinkel erweisen und könnte als anschauliches Beispiel dafür  dienen, wie sich unsere Einzelhandelsflächen in Zukunft entwickeln könnten, vor allem angesichts der gerade aktuell zwischen Online- und Offline-Formaten tobenden ‚Schlacht’“, fügt Weller hinzu. „Der Verbraucher will mit Marken intensiver und sinnvoller interagieren und wir sind überzeugt, dass Samsung KX über ein zukunftssicheres Profil verfügt, den richtigen Fokus hat und einem spezifischen Zweck dient, und all das garantiert den Erfolg.“

Da Technik heute schon fester Bestandteil des physischen Einkaufserlebnisses ist, stellt sich heute – wie A.T.Kearney es ausdrückt – nur noch die Frage wie und nicht mehr ob oder wann: Welche Technologien sollten Einzelhändler einsetzen und wie viel sollten sie in sie investieren?