Gastbeitrag

Wie Digitalisierung den Handel bestimmt

Kunden erwarten immer mehr digitale Technologien im Store, ob für Komfort oder Entertainment. Um die Erwartungshaltung der Kunden zu erfüllen muss die Customer Journey abwechslungsreich und emotionalisierend sein – Eine große Herausforderung für Retailer, Planer und Integratoren. In seinem Gastbeitrag erläutert Christian-Thomas Retinger, CMC von Systemintegrator Kapsch, wie sich echte digitale Experiences realisieren lassen und auf was Händler achten sollten.
Bei der Digitalisierung des Handels geht es um den gesamten Konsumprozess (Foto: Kapsch BusinessCom)
Bei der Digitalisierung des Handels geht es um den gesamten Konsumprozess (Foto: Kapsch BusinessCom)

Wenn ich von der „Digitalisierung des Handels“ höre, kommt mir sehr oft die Redewendung „Das Pferd von hinten aufzäumen“ in den Sinn. Sehr oft wird leider nur von der Digitalisierung des PoS gesprochen. Dabei geht es um die Digitalisierung des gesamten Konsumprozesses. Es geht darum, digitale Technologien sinnvoll einzusetzen, um dadurch den Konsumenten Mehrwerte bieten zu können. Dazu zählt alles, was das Einkaufen für uns einfacher, bequemer, schneller und erlebnisreicher macht.

Riverbed zeigt in ihrer „Retail Digital Trends Survey 2019“ ganz klar, dass Kunden digitale Technologien im Store erwarten. Die 3.000 Befragten (je 1.000 in Deutschland, USA und Australien) gaben an, dass folgende digitale Erlebnisse sie zum Kauf beim stationären Handel animieren würden:

  • Selfservice Kassen (36%)
  • Smarte Regale mit automatischen Sensoren zur Bestandsregulierung (29%)
  • Virtual und Augmented Reality Systeme (23%)

In einer von Capgemini durchgeführten Studie (6.000 Befragte in 9 Ländern) gaben 70% an, dass sie beim Shoppen Komfort und Entertainment erleben wollen. Und darunter verstehen die Konsumenten von heute deutlich mehr, als nur blinkende Schirme vor und in den Läden.

Der Autor, Christian-Thomas Retinger, CMC und Senior Business Consultant bei Kapsch BusinessCom AG (Foto: Christian-Thomas Retinger)
Der Autor, Christian-Thomas Retinger, CMC und Senior Business Consultant bei Kapsch BusinessCom AG (Foto: Christian-Thomas Retinger)

Berührungspunkte im Handel

Digitale Berührungspunkte auf der Customer Journey beginnen bereits weit vor dem ersten echten Kontakt mit dem Anbieter und gehen über dem Kauf hinaus:

  • Bei der Produktrecherche (heute meist online)
  • Beim Vorbeigehen am Schaufenster (Emotionalisierung)
  • Beim Betreten des Shops (Orientierung)
  • Beim Sondieren (Impressionen)
  • Bei der Beratung (Entscheidungshilfe)
  • Beim Anstehen an der Kassa (Impulskauf)
  • Beim Verlassen des Shops (Return rate)
  • In den sozialen Netzwerken (Erlebnisberichte)

Customer Journey

Die Customer Journey ist der Prozess welche Kunden bis zur Entscheidung ein Produkt zu kaufen durchlaufen. Er unterteilt sich in 6 Phasen:

  • Erfahren – noch keine Kaufabsicht, beiläufige Produktinformationen
  • Abwägen – Bedarfsanalyse mit Bereitschaft etwas zu kaufen
  • Erkunden – Kaufabsicht, Analyse von Produkten und persönlichen Wertigkeiten
  • Entscheiden – Kaufentscheidung und -aktion
  • Erleben – Erfahren ob die Produkt-/Kaufentscheidung richtig war
  • Mitteilen – Austausch von Produkt-/Service-Erfahrungen mit der Umwelt

Da jeder dieser Bereiche den Kunden in einer differenten Erwartungshaltung abholt, müssen diese auch unterschiedlich gestaltet und bespielt werden. Eine Signage-Lösung für alle Anforderungen, quasi die „eierlegende Wollmilchsau“, gibt es nicht. Die stationäre Digital Signage Customer Journey verlangt nach unterschiedlichen Inhalten. Der Kunde erwartet beim Vorbeigehen an den Schaufenstern andere Inhalte und EyeCatcher als beispielsweise beim Anstehen an der Kasse oder der Produkt-Sondierung. Er erwartet auch eine jeweils unterschiedliche Ansprache. In manchen Bereichen ist daher eine reine Emotionalisierung, in anderen Information und in wieder anderen eine Entscheidungshilfe die richtige Strategie.

Für den Konsument von heute muss die Customer Journey eine Erlebnisreise sein. Er erwartet sich „Geschichten“ und keine Plakate. Informationen, Kaufanreize und Entscheidungshilfen müssen emotional ansprechend gestaltet und an seine Bedürfnisse angepasst dargestellt sein (Storytelling).

Digitale Medien liefern die besten Ergebnisse, wenn sie direkt am PoS platziert werden (Foto: Kapsch BusinessCom)
Digitale Medien liefern die besten Ergebnisse, wenn sie direkt am PoS platziert werden (Foto: Kapsch BusinessCom)

Der PoS ist die Nummer 1

Laut einer Studie von Nielsen schenken knapp 85 Prozent der Verbraucher ihre Aufmerksamkeit jenen Medien, die direkt am PoS platziert sind. Wenn man jetzt noch eine Studie von GfK, laut der 70% aller Kaufentscheidungen am PoS fallen, mit in Betracht zieht, wird klar, wo Digital Signage Lösungen idealerweise eingesetzt werden sollten. Natürlich ist das nicht der einzige, wichtige Berührungspunkt auf der Customer Journey. Was und wo genau ist aber der Point of Sales?

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Eine sehr gute Beschreibung liefert Prof. Dr. Peter Kenning, Lehrstuhlinhaber und Professor für BWL an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er beschreibt den PoS als den Ort des Warenangebots, also meist Laden bzw. innerbetrieblicher Standort einer Ware im Regal oder einer Verkaufsgondel, an dem die Kunden unmittelbaren Kontakt mit der Ware haben und die deshalb, zur Förderung von Impulskäufen, gezielt mittels Maßnahmen der Verkaufsförderung angesprochen werden können.

Folgende digitale Technologien/Lösungen eignen sich (auszugsweise) für den Einsatz am PoS:

  • Nicht interaktiv: Werbescreens, Electronic Shelf Labeling (ESL), digitale Kundenstopper
  • Interaktiv: Produktberater, mobile Assistenten, Lift and Learn, VR

Digital Experience im Handel

Das alte Kaufmanns-Sprichwort „Handel ist Wandel“ gilt heute mehr denn je. Die Digitalisierung des Handels ist längst schon zur Realität geworden. Niemand kann sich diesem Trend widersetzen. Der Kauf muss emotionalisieren und gleichzeitig ein Erlebnis sein. Digitale Technologien können hier, vorausgesetzt sie werden richtig eingesetzt, einen großen Beitrag dazu leisten.

Digitale Informationssysteme sind allgegenwärtig. Egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld, die Akzeptanz von digitalen Systemen wird immer höher. So haben sich beispielsweise Smartphones mittlerweile zu einem unverzichtbaren Einkaufs-Tool entwickelt. Aber auch Digital Signage-Systeme (Displaygestützte Informations- und Verkaufsunterstützung) sind bereits Standard im Verkaufsprozess. Studien belegen ganz klar, dass die Affinität für diese Lösungen stetig zunimmt.

Digital Signage: Mehr Displays in Apotheken

So hat beispielsweise der Fachverband Außenwerbung eruiert, dass 56% der befragten Personen digitale Werbung auf Bildschirmen als informativ und 39% als innovativ bewerten. Animierte, digitale Werbung wird aber auch deutlich mehr wahrgenommen als statische Plakate. Es ist die Frage aller Fragen an jedem PoS: Wie aktiviere ich meine Zielgruppe? Meiner Meinung nach geht das ausschließlich über „Digital Experience“. Kunden von heute möchten und müssen etwas erleben, wir befinden uns schließlich in einer Erlebnisökonomie.

Die digitale Transformation des Handels wird daher immer wichtiger und ist gleichzeitig auch Garant für ein erfolgreiches Bestehen in der Welt des Online-Shopping. Die klassische Customer Journey ist Geschichte – das Internet hat auch Einkaufsprozesse grundlegend verändert.

Einkaufszentren und Shops die sich den neuen Gegebenheiten anpassen werden mittelfristig von diesen Trends profitieren. Sie müssen sich zu Lifestyle Hubs wandeln und eine für die Kunden nachvollziehbare Verschmelzung von offline und online Services erlebbar machen, denn Kunden kaufen dort, wo sie gerade sind. Die Zukunft heißt „Multichannel Shopping Experience“.

Emotionalisierung, Storytelling sowie die intelligente Vernetzung der digitalen Touchpoints sind zu wichtigen Bestandteilen der Customer Journey geworden. Digital Signage bietet viele Facetten, mit denen eine hybride Aktivierung der Zielgruppe möglich ist.

Nur durch den Einsatz von „richtigen“ Technologien ist ein nachhaltiger Erfolg garantiert. Der Kunde, seine Bedürfnisse sowie der Akzeptanzgrad der eingesetzten Technologien sind, neben einer gesamtheitlichen Digital Signage Strategie, wichtige Erfolgsfaktoren.